Warum ich nie (wieder) auf TikTok sein werde

 
Zu sehen im Bild abstrakte Formen auf dunklem Hintergrund
 
 

 

Das ist einer der Artikel, mit denen ich mir keinen Gefallen tue. Aber es ist einer, der geschrieben werden muss.

Vielleicht bist du schon auf TikTok unterwegs und hast Spaß damit. Vielleicht bist du selbstständig und hast dein Marketing um diese hype Plattform erweitert und erstellst mit Freude Inhalte dafür.

Und obwohl das für dich ok sein mag … ich persönlich beneide dich kein wenig.

Denn TikTok ist als Social Media Plattform gerade das Schlimmste, was du deiner Lebensenergie antun kannst.

Und ich weiß, das entspricht NICHT dem, was dir andere Social Media ExpertInnen und BeraterInnen predigen.

Ich werde dir nicht die vielen rational klingenden Marketing-Gründe analysieren, für die es sich lohnt, jetzt auf TikTok aufzuspringen: Die fette organische Reichweite, die günstigen Ads, die viralen Videos, die Kreativität, die angeblich gefördert wird, dass es eben „THE place to be“ ist.

Ich werde dir nur einen triftigen Grund nennen, es nicht zu tun: Deine Gesundheit.

TikTok hat den smartesten, raffiniertesten und am schnellsten süchtig machenden Algorithmus, dem ich jemals in einer Social Media App begegnet bin.

Und das weiß ich, weil ich mir vor 2 Jahren TikTok tatsächlich runtergeladen hatte, um die App auszuprobieren. Wie es sich für eine tüchtige Social Media Beraterin auch gehört, alles, was sich im Social Media Kosmos bewegt, auch selbst mal getestet zu haben. Inzwischen gibt es die App schon lange nicht mehr auf meinem Smartphone oder mein Profil auf der Plattform. Beides unwiderruflich gelöscht und nicht bereut. Ganz das Gegenteil.

Es Social Media zu nennen ist aber auch nicht 100%ig treffend, denn TikTok ist mehr eine Unterhaltungsplattform: Hier spielen nicht die soziale Komponente und der Austausch eine tragende Rolle, oder wie viele FollowerInnen man hat, wie bei Facebook und Instagram z.B., sondern der Inhalt an sich.

Deswegen erfreut sich auch der „For You“-Feed hoher Beliebtheit, denn er zeigt dir genau das an, was du sehen möchtest, hoch zehn. Algorithmus auf Speed. Er weiß, was du willst, bevor du dir überhaupt den ersten Kaffee des Tages aufgebrüht hast.

Basierend auf den Videos, die du und andere ansehen, spielt dir der TikTok Algorithmus im nächsten Moment Videos aus, die du wahrscheinlich auch ansehen wirst, – weil es auch andere vor dir gemacht haben. Und das mit einer chirurgischen Akribie, die jegliche Schweizer Uhrwerke wie schmelzende Metallplatten in einem Salvator Dali Gemälde erscheinen lässt. Wenn dich der TikTok-Algorithmus einmal hat, gibt er dich nicht mehr her … im Sinne von „The Matrix has you“ – wer erinnert sich?

 
Zu sehen im Bild Person die auf dem Smartphone die TikTok App öffnet
 

Eine achtsame Nutzung von TikTok ist unmöglich - ich weiß, die Frage brannte dir schon auf den Lippen. Denn TikTok’s Funktionsweise ist das in Pixel gemeißelte Denkmal der Unachtsamkeit selbst.

Der Schlüssel dazu befindet sich in den Eigenschaften des Kurzvideoformats, was das Brot und Butter der Plattform ist:

TikToks sind einfach, unerwartet, emotional und erzählen meistens eine Geschichte – unser Gehirn bleibt daran hängen bzw. kleben, weswegen diese Art von Inhalten sich auch Sticky Content in der Marketing-Sprache nennt. 🤓

Du klebst wortwörtlich am Smartphone-Bildschirm und TikTok schafft das, was alle Social Media Plattformen jährlich auf dem Wunschzettel stehen haben: Deine Aufmerksamkeit laaange in der App zu halten, um dir Werbung auszuspielen.

Und das sind am Tag zurzeit 1,5 Stunden im Durchschnitt – vereinzelt liegen bei jungen NutzerInnen die Werte viel höher.

Aber der hohe Zeitverlust ist nicht das Schlimmste an TikTok – obwohl ausschlaggebend, weil du eigentlich Besseres zu tun hast. Bildschirmfrei … leben und lieben zum Beispiel, ins Fühlen kommen, Menschen begegnen, Projekte angehen, Sport machen, schlafen, kochen, putzen, im Wald spazieren …

 
Zu sehen im Bild Spinnennetz mit Wassertropfen
 

Es ist die Gewöhnung an die schnelle Belohnung, die deine kognitive Kapazität ruinieren kann.

Denn die kurzen Videos, egal wie meisterhaft sie gemacht wurden (und ein richtig gutes TikTok braucht oft Tage an Produktion) schmeicheln der Faulheit unseres Gehirns.

Unser Gehirn bevorzugt den einfachen Weg. Den Weg, der die geringste Energie verbraucht, um an sein Ziel zu kommen.

Und wenn nun mal das Ziel ist, sich mit Inhalten abzulenken oder zu unterhalten, dann sind die kurzweiligen TikToks wie gemacht dafür. Übrigens: Ja, ich weiß, dass man inzwischen auch bis zu 10 Minuten lange Videos auf TikTok hochladen kann, aber die Inhalte, die richtig abgehen, sind eben die kurzen Videos - 15 Sekunden lang oder alles, was unter einer Minute liegt.

Wenn wir also täglich 1,5 Stunden TikToks konsumieren, dann gewöhnt sich unser Gehirn daran, durch wenig Engagement, Aufwand oder Aktivität sehr schnell zu einer positiven Rückmeldung in Form von Spaß, Freude, Unterhaltung zu kommen – sprich Dopaminausschüttung im Belohnungszentrum des Gehirns. 🍭

Es wird süchtig danach.

Dopamin ist bekanntlich das Glückshormon im Gehirn, das in allen Formen von Süchten – wie der exzessiven Social Media Nutzung - eine zentrale Rolle spielt. Ich bediene mich der „Droge“ meiner Wahl, um ans Glücksgefühl ranzukommen, um zu vergessen, mich abzulenken, mich zu entspannen, mich einfach wieder gut und „normal“ zu fühlen.

Wenn ich das gleiche Gefühl im #reallife, im analogen Leben haben möchte, wenn ich also das gleiche Level an Dopamin erreichen möchte, um mich gut zu fühlen, dann muss ich dafür intensiver und länger arbeiten – Schlagwort Dopamintoleranz.

Denn im echten Leben kann die Belohnung oder ein Feedback lang auf sich warten lassen. Wenn wir uns einen Film ansehen möchten, der länger als 15 Sekunden dauert. Wenn wir ein Buch lesen möchten. Wenn wir ein Date haben. Wenn wir eine Diät machen. Mit dem Laufen anfangen wollen. Wenn wir tiefe Arbeit, also „deep work“ verrichten möchten.


 
Zu Sehen im Bild Quellcode auf Bildschirm
 

 

Das alles ist dann zu anstrengend fürs Gehirn. Zu ungewohnt.

Und genau das will ich nicht.

Ich will einen wachen Geist.

Ich will einen freien Geist.

Ich will einen Geist, der mit 49 Jahren für die Heilpraktiker-Prüfung büffelt (und sie besteht hoffentlich).

Einen Geist, der sich laserscharf fokussieren kann. So, dass er Diamanten schneiden könnte.

 

Ein Gehirn, das nicht zu träge ist, tiefe Gedanken zu erfassen, schwierige Texte zu lesen, Neues aus dem Nichts entstehen zu lassen.

Ich will ein gesundes Gehirn, das sich nicht von digitalem Junk Food nährt.

Ein Gehirn, das Raum für Kunst hat.

Das ein (oder mehrere) Bücher konzipieren und schreiben kann.

Ein Gehirn, das voller Ideen ist.

 

Ein System, das in den Flow kommt.

Das ins Fühlen und Spüren kommt.

Das Schwingungen im Äther aufgreifen kann.

 

Und das alles ist nicht möglich, wenn es reizüberflutet ist.

Wenn es durch irgendwelche tanzenden, krächzenden, hüpfenden Menschen in Dauerschleife entertained wird.

Wenn es konstant nach dem nächsten digitalen Kick sucht(et).

 

Ich möchte mit meinen Inhalten, die ich mit der Welt teile, in die Tiefe gehen.

Ich möchte mit meinem Marketing nicht alle Menschen erreichen, sondern die richtigen.

Die Menschen, die tief in ein Thema eintauchen wollen und sich dafür einen Blogartikel durchlesen oder eine Podcastfolge anhören, die länger als 10 Minuten dauert.

 

Ich möchte ein funktionierendes, gesundes und harmonisches Nervensystem.

Denn es ist mein wichtigstes Tool, im Leben und im Business.

Es ist ein kostbares Geschenk der Evolution des Homo Sapiens.

 

Und das, ja das ist mir wichtiger als alle Impressionen und Reichweiten auf der Welt.

 

One last thing.

Und da wäre ja noch das Thema Datenschutz. Lass es mich so formulieren: Wenn Meta, also Facebook & Co. einmal eine Datenkrake ist, dann ist TikTok ein ganzer Schwarm davon – oder Herde? Bilden Kraken Herden oder Schwärme? Oder sind sie doch Einzelgänger?

Egal.

Ohne in TikToks Abgründe eintauchen und als Verschwörungstheoretikerin abgestempelt werden zu wollen: Die Plattform greift höchst detailliert auf alle möglichen Daten von dir, deinem Smartphone und deinem online Verhalten zu. Und wo genau diese Daten landen … weiß niemand tatsächlich so genau. Ich weiß nur, dass es die einzige App ist, die das U.S. Verteidigungsministerium seinen MitarbeiterInnen verboten hat, zu installieren. Nicht nur ihnen, aber auch ihren Familienangehörigen und ihrem Wellensittich.

Update 23.02.2023: Heute wurde von der Sprecherin der EU-Kommission bekanntgegeben, dass die EU-Komission allen MitarbeiterInnen angeordnet hat, TkTok von ihren dienstlichen Handys zu löschen - und auch von der privaten, wenn für diese diesntliche Zwecke genutzt werden.

Auf der Website der Tagesschau heißt es “Mitarbeitende der EU-Kommission müssen die Social-Media-App TikTok wegen Sicherheitsbedenken auf ihren Dienstgeräten löschen. Zudem müsse die zu einem chinesischen Konzern gehörende Video-App bis zum 15. März von privaten Geräten entfernt werden, auf denen Apps der EU-Kommission genutzt werden, bestätigte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde.

Grund für die Entscheidung seien Bedenken mit Blick auf die Cybersicherheit. Der Sprecherin zufolge handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme, die regelmäßig überprüft werden soll.”

Update 22.04.2023: Zurzeit ist in den USA eine heiße Diskussion entfacht, da das TikTok-Theme gerade im US-Kongress besprochen wird. Grund? Im US-Kongress ist aktuell ein Gesetz in Arbeit, dass Präsident Joe Biden die Vollmachten geben könnte, die App vollständig zu verbieten. Erst Ende März musste sich der TikTok-CEO den Fragen der US-Abgeordneten stellen.

Ich hinterlasse dir hier ein paar Links -  so kannst du dir über dieses wichtige Thema deine eigene Meinung bilden:

 


Aikaterini Pegka

🧬 Biologist
🧘🏻‍♀️ Breath Coach & Meditation teacher
✨ Happy & mindful in a digital cosmos
🙏🏻 Holistic coaching for a healthy mind, body & business

https://www.rinipegka.com/
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