Leben wir schon in der Zombie-Apokalypse? Gedanken einer Künstlerin zwischen digitalem Lärm und echtem Leben 


 

Ich weiß nicht, ob du dieses Gefühl kennst: Entweder sind fast alle um einen herum Aliens oder man selbst ist einer. Was die meisten Leute sagen, fühlen oder tun, ist nicht selten so weit von meinen Empfindungen entfernt wie Neptun von der Erde: knapp fünf Milliarden Kilometer.  

Und dann frage ich mich manchmal, ob wir nicht längst mittendrin sind in einer Zombie-Apokalypse. Aber nicht so, wie Hollywood sie darstellt: keine zerfetzten oder halb verwesten Körper, keine schlurfenden Gestalten in zerfallenen Städten, die durch blutverschmierte Straßen torkeln. Sondern viel leiser, alltäglicher. Und deshalb vielleicht noch gefährlicher.  

Entweder bin ich zu weich, zu romantisch oder zu naiv für diese Welt, oder ich bin ängstlicher geworden. Vielleicht auch alles zusammen. Oder ich habe schlicht zu viele B-Movies verschlungen, die mich nachts noch heimsuchen. 

Wie dem auch sei: Vielleicht sind die Viren unserer Zeit nicht biologischer, sondern gesellschaftlicher, psychologischer oder ideologischer Natur. Und sie tragen einen Namen: Entfremdung. Entfremdung von uns selbst, von unserem Mitgefühl und von unserem Körper. Entfremdung von Langsamkeit, vom Menschsein, von Tiefe und echten, unberechenbaren Emotionen, die uns verletzlich zeigen. Entfremdung auch vom echten Zuhören – sowohl anderen als auch unserer eigenen inneren Stimme. 

Oft habe ich das Gefühl, dass wir uns freiwillig in eine Art digitale Käseglocke sperren. Wir scrollen, wir liken, wir posten und vergessen dabei, dass wir atmende Wesen mit einem Herzschlag sind. Anstatt Sauerstoff zu tanken, pumpen wir uns mit Push-Nachrichten, Klicks, viralen Reels und künstlichen Dringlichkeiten voll. 

Das Verrückte daran ist: Viele Menschen halten das inzwischen für völlig normal. „Alle machen das doch“, höre ich oft. Aber nur, weil alle in dieselbe Richtung rennen, heißt das nicht, dass es am Ende kein Abgrund ist.  

Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, wie ich gedankenverloren auf eine Timeline starre, die längst nicht mehr meine ist. Ein Algorithmus entscheidet, welche Stimmen ich höre, welche Farben ich sehe und welche Themen angeblich „wichtig” sind. Irgendwann fühlt es sich an, als ob mein eigener Kopf nicht mehr mir gehört.  

Genau das meine ich mit Zombie-Apokalypse. Es gibt kein Blut und kein Drama, sondern eine stille Auslöschung dessen, was uns eigentlich menschlich macht: Eigensinn, Fehler, echte Gespräche und kleine Pausen. 

Stranger Things im echten Leben

Manchmal muss ich dabei an “Stranger Things” denken. (Okay, um ehrlich zu sein: Ich denke ziemlich oft an „Stranger Things”. Ich habe die Netflix-Serie bestimmt schon ein Dutzend Mal geschaut. Und ja, ich zähle die Tage bis zur Veröffentlichung der fünften Staffel Ende November 2025. Und ja, ich weiß, dass das seltsam ist – vielleicht bin ich doch ein Alien?)

In der vierten Staffel hält der Bösewicht Vecna/Henry/Nummer 1 einen Monolog, der mich jedes Mal packt. Er spricht über das menschliche Leben und wie wir alle in einem endlosen Kreislauf gefangen sind. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Jahre. Aufstehen, essen, arbeiten, konsumieren, wiederholen, sterben. Jeder Tag ist eine Kopie des vorherigen. Eine Welt voller Regeln, die wie ein Korsett wirken. Alles in einem „silly, terrible play“, wie er es nennt. 

Und genau da berührt mich diese Fiktion, weil sie so real klingt. Wie oft verfallen wir in genau diesen Trott? Dieses Gefühl, in einem absurden Theaterstück mitzuspielen, in dem man jeden Tag dieselbe Rolle und dieselbe Choreografie abspult. Ich könnte nicht so tun, als wäre das genug. Und genau das verstärkt mein Zombie-Gefühl: Menschen, die weiterlaufen, ohne je stehenzubleiben oder zu hinterfragen. Wie oft sind wir damit beschäftigt, die Uhr abzuarbeiten, statt wirklich zu leben? Dieses „Warten auf das Ende“ ist vielleicht die leise Zombie-Apokalypse, von der ich spreche. Sie ist nicht blutig, sondern erschreckend alltäglich. 

Der Autopilot des Kapitalismus 

Was, wenn der Kapitalismus längst seine Zähne in uns geschlagen hat und uns auf Autopilot hält – im Modus „schneller, mehr, sichtbarer, effizienter”? Was, wenn Social Media der Kanal ist, durch den wir uns gegenseitig infizieren? Immer neue Meinungen, immer neue Konflikte, immer neue Trends. Oft ohne Erdung, ohne Essenz, ohne Herz, ohne Verantwortung.  

Ein Kommentar unter einem Beitrag fühlt sich oft wie ein Schuss an, nicht wie ein Gespräch. Reflex statt Resonanz. Viral gehen, andere anstecken, mitreißen – oder selbst verschluckt werden. Sich an denen, die anders denken, aufreiben. Oder gleich ganz von der nächsten digitalen Empörungswelle aufgefressen werden. Und wir merken gar nicht, wie leer wir dabei werden.  

Ist das nicht auch eine Art Zombie-Apokalypse? Eine Apokalypse, in der wir uns gegenseitig übertönen und dabei innerlich immer leerer werden. 

Körper, Gesichter, Masken 

Diese Entfremdung zeigt sich auch körperlich: Gesichter verlieren unter Botox ihre Mimik. Viele Frauen, egal wie alt, sehen auf einmal fast gleich aus. Ist dir das schon einmal aufgefallen? Körper werden chirurgisch genormt. Filter lassen Realitäten verschwinden. Es entsteht eine Schönheit, die stillsteht – sie altert nicht, aber sie lebt auch nicht.  

Auf Instagram, TikTok und Co. erinnern manche Gesichter unweigerlich an die Zombie-Metapher: Sie sind glatt, ausdruckslos und wirken mechanisch. Nur der Mund bewegt sich. Augen, die sich öffnen und schließen. Und darunter eine Seele, die vielleicht längst verschwunden ist oder nie gesehen wurde.  

Und wenn wir schon beim Körper sind: Auch unser digitales Ebenbild, unser Gesicht im Netz, ist Teil dieser Entfremdung geworden. Immer mehr Menschen lassen ihre Profilbilder – sei es auf LinkedIn, Instagram oder sonst wo – mithilfe künstlicher Intelligenz erstellen: Sie werden optimiert, geglättet und idealisiert. Was bleibt, ist eine makellose Maske, ein Avatar ohne Echtheit. Die Grenze zwischen Mensch und Modell verschwimmt. Wer bin ich, wem schaue ich da gegenüber? In einer Welt voller synthetischer Gesichter wird Vertrauen zum knappen Gut und jeder Blick in ein Profil zum kleinen Test: Ist das echt oder nur eine Fassade? 

Smombies und das Verschwinden des Jetzt 

Und dann gibt es da noch die sogenannten „Smombies“ – Smartphone-Zombies. Menschen, die im öffentlichen Raum wie ferngesteuert auf ihre Geräte starren. Nicht mehr im Hier. Nicht mehr im Jetzt. Getrieben vom nächsten Ping, der nächsten Benachrichtigung, der Illusion von Verbindung. Auch das ist ein Bild unserer Zeit: Einzeln, nebeneinander, in Bewegung – aber innerlich woanders. 

Meine Antwort: Kunst 

Ich bin Künstlerin. Ich arbeite mit dem ganzen Körper, meine Knie sind oft wund nach einem vollen Tag im Atelier, denn ich male am Boden mit echten Materialien. Ich spanne Leinwände selbst, mische Pigmente und sticke Worte und Gesten in Stoff. Ich atme, tanze, singe, während ich male. Ich male nicht für den Algorithmus. Ich male, um zu erinnern: an das, was bleibt.

Vielleicht sind Kunst und Kreativität zwei der letzten Bereiche, in denen wir uns noch unversehrt und unberechnet begegnen können. Vielleicht ist Kunst die Antithese zum Zombie-Zustand, denn sie ist lebendig. Unperfekt. Echt. Sie fragt nicht nach Sichtbarkeit, sondern nach Verbindung.  

Vielleicht braucht es heute keine Superheld:innen wie in Hollywood-Blockbustern, sondern einfach Menschen, die andere mit etwas Gutem anstecken. Mit einem warmen Lächeln. Mit einem lieben Satz. Mit einem Buch oder einem Bild. Mit einem Gedanken, der hängen bleibt, statt zu hetzen. 

Vielleicht reicht schon das. 

 
 




Aikaterini Pegka

🧬 Biologist
🧘🏻‍♀️ Breath Coach & Meditation teacher
✨ Happy & mindful in a digital cosmos
🙏🏻 Holistic coaching for a healthy mind, body & business

https://www.rinipegka.com/
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Sichtbarkeit, Reichweite und was wirklich zählt oder warum wir über die falschen Dinge sprechen, wenn es um Kunst und Instagram geht